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Das faktische Ende des Markenschutzes in Google

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Für den Markenschutz in Google gelten künftig globale und offenbar deutlich laschere Standards als bislang. Im Suchmaschinenmarketing (SEM)nähert damit eine über Dekade geführte emotionale Diskussion  über Brand Bidding im Tourismus dem Ende. Leistungsträger müssen sich im Online-Marketing auf verschärfte Konkurrenz einstellen. Mittler untereinander könnte eine freiwillige Selbtverpflichtung in Form einer Blacklist helfen. Die Idee ist bereits zweieinhalb Jahre alt.

Komprimiert

Markennamen dürfen in Google auch offiziell von der Konkurrenz genutzt werden, weitgehend liberal und ohne Kontrolle der Suchmaschine. Das wird Leistungsträger vor Herausforderungen stellen. Was die neuen Spielregeln für Reseller bedeuten, hängt von der praktischen Umsetzung in den Google-Systemen ab. Ein freiwilliger Selbstschutz der Mittler könnte viel Geld sparen. Erfunden haben das ausgerechnet diejenigen, denen einst der große Zorn der Reisebranche in Sachen Brand Bidding galt: den verstorbenen Unister-Gründer Thomas Wagner und Oliver Schilling.

Die neue globale Markenrichtlinie von Google ist eine recht kompakte Lektüre. Und sie lässt sich weiter auf zwei relevante Satz verkürzen: „Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Reseller, Informationswebsites und autorisierte Werbetreibende markenrechtliche Begriffe verwenden…“
Und sinngemäß weiter: Wer auf „den Verkauf bzw. die Vermittlung des Verkaufs“ abzielt oder „aussagekräftige Informationen“ zur jeweiligen Marke bietet, darf diese auch als Keyword nutzen.

Rund 100 Anzeigen pro Sekunde, 3,2 Milliarden pro Jahr, hat Google laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr blockiert. Mit der Anpassung der Werberichtlinien, die nach Recherchen von Tnooz einer Anpassung einer globaler Richtlinie an den englischsprachigen Standard entspricht und in den nächsten Monaten umgesetzt wird dürfte diese Quote rückläufig sein.

Noch ist unklar, wann und mit welcher Wucht Reiseportale den SEA-Hebel umlegen. Ein kurzer Blick auf die aktuellen SERP-Ergebnisse in Google.de zeigt, dass insbesondere die Kettenhotellerie ihre Markenwelt (noch?) im Griff hat. Für etablierte Marken wie Hilton, Accor oder Steigenberger erscheint in Google.de exakt eine Ad: die der Hotelkette.

Steigenberger auf Google.de: Allein der Hotelier zahlt auf seine Google-Ad ein.

Doch es gibt auch gegenteilige Beispiele, etwa vom Grand-Elysée, jenem Hamburger Luxushotel von Eugen Block, der vor einigen Jahren Booking.com und anderen OTA öffentlich den Kampf ansagte. Nur mit seiner Zustimmung oder zumindest Tolerierung dürften Booking.com und Trivago bislang mit seiner Marke werben. Dass dies hier der Fall ist ist fraglich. Meine unbestätigte Vermutung: Die Lockerung der Darstellung von Marken in den Google-Ergebnissen hat stillschweigend begonnen.

Google.de am 23. 10. 2018: Die Zahl der Anzeigen für bekannte Hotels steigt, hier das OTA-kritische Grand Elysée von Eugen Block in Hamburg.

Für „Reseller“ (und Mittler) schafft Google nun einen denkbar klaren Rahmen. Was im Portfolio ist, darf auch beworben werden. Aber was ist mit Marken, die nicht im eigenen Portfolio ist? Was ist mit dem so genannten Brand Bidding von Reisebüros? Leider gibt es  noch einen neuen Passus in der Google-Markenrichtlinie. Und der ist so knapp wie folgenschwer, insbesondere für „Reseller“:

 

Feuer frei für Brand Bidding? „Die Verwendung von Keywords wird nicht untersucht oder eingeschränkt.“

Wie geht Google künftig mit Keyword-Vorschlägen um?

Es ist gut möglich, dass „Reseller“ (sprich: Reisebüros) in der neuen Google-Richtlinie weiterhin Schutz genießen. Vor etwa acht Jahren war das so genannte „Brand Bidding“ von Reisebüro-Marken und Veranstaltermarken ein großes Thema in diesem spannenden Segment der Reisewirtschaft. Auch damals hatte Google seine Markenschutzrichtlinie dezent gelockert (wie ich in alter Funktion für die fvw schrieb). Nur noch markenrechtlich geschützte Marken ließen sich seitdem als Keywords in Google blockieren. Nun offenbar nicht mehr.

Und genau das war schon bislang ein Dilemma: Viele tausend Reisebüros in Deutschland haben keinerlei Markenschutz, weder im zivilrechtlichen Sinne noch gegenüber Google. Manch einem mögen die Formalien zu komplex sein, anderen wiederum fehlt es an der Eindeutigkeit. Generischen und allgemeingültigen Unternehmenskennzeichen wie „Dirks Urlaubsoase“ oder „Lastminute-Experte“ fehlt es an solchen Kriterien. Sie gelten als austauschbar. Mit ihren Ergebnissen durfte schon immer in Google geboten werden.

Der Verzicht Googles, auf die Untersuchung von markenrechtlichen Keywords zu verzichten, könnte für den Reisevertrieb eine wahre Herausforderung werden. Dabei geht es nicht allein um die Ablehnung von Google Ads mit entsprechenden Keywords. Für Großkunden stellt Google nämlich noch einen besonderen Service bereit: die automatische Generierung von relevanten Keyword-Kombinationen, die für den jeweiligen User erfolgsversprechend sein können.

Unister: Brand Bidding auf Reisebüro-Namen war nie das Ziel

Die ungefilterte und gewiss auch ungehemmte Nutzung dieser Keyword-Kombinationen war es übrigens auch, die vor einer knappen Dekade Unister in die moralische Ecke des Reisevertriebs brachte. Im Sommer 2016, nur wenige Tage vor ihrem tragischen Tod, versicherten mir die Unister-Gründer Thomas Wagner und Oliver Schilling, dass das Bieten auf Reisebüro-Namen für sie stets kaufmännischer Unsinn gewesen sei. Nur leider sei eine effiziente Kontrolle der tausendfachen Google-Vorschläge schlichtweg nicht möglich gewesen.

Eine Lösung hatten Wagner und und die für SEA zuständigen Brüder Oliver und Christian Schilling übrigens schon immer im Gepäck. Im Juli 2016 schlug das Unternehmen den Branchenverbänden DRV und VIR eine Erweiterung des Code of Conduct für faires Online-Marketing vor. Kern war eine zentral gepflegte Blacklist, in denen auch nicht geschützte Reisebüronamen hinterlegt werden können.

In einer möglichen Neufassung des Code of Conduct hätten sich die unterzeichnenden Reiseportale dann freiwillig dazu verpflichtet, diese Blacklist in ihren Systemen zu hinterlegen und so ein versehentliches Bieten auf die (automatisch von Google vorgeschlagenen) Namen stationärer Reisebüros zu verhindern. Denn unter dem Strich bringen derartige Clicks erfahrungsgemäß keine Buchung.

Durchgesetzt hat sich der Vorschlag  bislang nicht.  Gut möglich, dass sich dies nun ändert. Denn anders als für Leistungsträger, die sich vermutlich damit abfinden müssen, dass ihre Produkte auch bei Vertriebspartnern beworben werden, gilt dies für Reseller untereinander eben nicht. Was alle eint: Google betätigt sich wieder einmal als „game changer“, auf den sich alle einstellen müssen. Die Lösung dafür haben jene skizziert, die sich damit einst bestens auskannten. Das sollte nicht negativ sein.