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Das Rennen um die letzte Meile

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Globale Plattformen sind im digitalen Reisegeschäft das zentrale Gateway zum Kunden. Und das zunehmend auch für Reiseprodukte, die bislang nicht im Fokus standen. Booking.com bietet nun auch Campingplätze, Airbnb deutschlandweite Entdeckungen und weltweite Reisen und Google Ferienunterkünfte. Noch unter dem Radar, in der nächsten Saison vielleicht schon als Standardprodukt.

Komprimiert
Es gibt kaum mehr touristische Segmente, die im globalen Reisevertrieb nicht vollends erschlossen sind. Touren und Aktivitäten, Ferienwohnungen und Campinghäuser gehörten bislang dazu. Das ändert sich gerade massiv. Das Rennen um die letzte Meile ist eröffnet.

Man muss schon genau hinsehen, um die neuen Produktkategorien auf den großen Portalen bereits zu entdecken. Wir beschleunigen das einmal.

1. Booking.com bietet jetzt auch Campingplätze

Seit dem Caravan Salon ist es amtlich: Der Campingurlaub in Deutschland boomt. Um 11,3 Prozent sind laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts die Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen gestiegen. Davon profitieren zuerst einmal engagierte Start-Ups wie der ADAC-Ableger Pincamp, die sich die sehr ehrenwerte Mühe machen, zumindest einen Teil des defragmentierten Campingmarktes digital buchbar zu machen. Denn der nur sporadisch buchbare Content ist die wohl größte Bremse für digitales Wachstum in dem Milliardenmarkt Camping.

Klammheimlich hat auch Platzhirsch Booking.com die Konkurrenz mit Pincamp & Co aufgenommen, mit der eigenen Unterseite Booking.com/Camping:

Booking.com lädt ein, „die perfekten Orte zum Camping zu entdecken“

Es bleibt abzuwarten, ob der Hotel-Marktführer den ebenfalls am Anfang stehenden Spezial-Portalen in diesem Segment den Rang ablaufen kann. Aktuell ist das Angebot begrenzt, wie ein Blick auf die Ergebniskarte für die „Ostsee“ zeigt. Jedoch: auch das Angebot an Ferienwohnungen war lückenhaft, als Booking.com diesen Markt in Angriff nahm. Das war einmal. Aktuell listet das Protal nach eigenen Angaben 6,2 Mill. Ferienhäuser und -wohnungen.

Alles andere als flächendeckend: Das aktuelle Campingangebot von Booking.com an der „Ostsee“ (in der regionalen Kartendefinition von Booking.com). Doch das ist nur eine Momentaufnahme.

2. Auch Google setzt auf Ferienwohnungen

Das üppige Angebot an Ferienimmobilien auf Booking.com setzt auch Google unter Zugzwang. Schon im Frühjahr kündigte Google an, wichtige Home-Rental-Partner (zusätzlich zu den großen Werbepartnern Airbnb und Booking.com) wie die Expedia-Marken Homeaway und VRBO in ihre Suchte integriert zu haben. Mit dem US-Anbieter Vacasa kommt jetzt ein weiteres Schwergewicht hinzu.

Obwohl die Marke „Vacasa“ aktuell ähnlich unbekannt sein dürfte wie das europäische Pendant „Awaze“ so handelt es sich hier um ein echtes Schwergewicht. Vacasa ist (wie auch Awaze) ein Nachfolger von Wyndham Vacation Rentals und in den USA ähnlich relevant wie die europäischen Awaze-Marken Novasol, Dansommer oder Landal Green Parks. Die rund 110.000 Awaze-Immobilien sind aktuell noch nicht direkt über Google gelistet. Gleiches gilt für den zweiten neuen europäischen Fewo-Giganten Oyo Vacation Homes (Dancenter, Belvilla, Traumferienwohnungen…), der seit dem Verkauf der ehemaligen @Leisure-Group nun unter der Flagge des indischen Hotelkonzerns Oyo firmiert. Wer von beiden wohl zuerst mit einer Direktanbindung zu Google Travel aufwarten darf?

3. Airbnb kommt mit Reisen und Entdeckungen

Auch Airbnb hat seine Produktpalette in diesem Sommer deutlich ausgebaut. Bereits seit Juni gibt es auf dem Portal so genannte „Adventures„, mehrtägige Reisen inklusive Übernachtung. Mir bleibt aktuell unklar, ob Airbnb hier selbst als Reiseveranstalter an den Start geht oder die komplexe Produkthaftung und den dann obligatorischen Insolvenzschutz an die Partner vor Ort verweist. Die Produktbeschreibungen lassen Raum zu Interpretationen. Klar aber ist: Zumindest einen Teil der aktuellen Abenteuer von Airbnb gibt es auch andernorts im Internet und im gut sortierten Reisebüro, wie diese Kanutour durch Schweden beweist:

„Auch für Gäste außerhalb von Airbnb“, heißt es in der Produktbeschreibung der Kanutour. Die volle Tourenbeschreibung deutet auf eine klassische Pauschalreise.

Während es für das Reiseziel Deutschland bislang keine Adventure-Reisen gibt, so ist das Angebot an eintätigen „Experiences“ (sprich Ausflüge und Aktivitäten) in Deutschland deutlich gestiegen. Was vor mehr als zwei Jahren mit ersten Ausflügen in Berlin beginnt, ist inzwischen zu einem vielfältigen Ausflugsprogramm gereift, das inzwischen auch zahlreiche Angebote im ländlichen Raum umfasst und nun unter dem Label „Entdeckungen“ vermarktet wird.

Airbnb bleibt seiner Prämisse treu, das Angebot streng auf einen Gastgeber zu fokussieren. Davon abgesehen gibt es auf Airbnb vieles, was es auch in der klassischen Tourist-Informationen geben sollte: von der Hafenrundfahrt in Hamburg bis zur Wein-Wanderung an der Mosel, um zwei typische Beispiele zu nennen.

Mein Tipp an Fremdenverkehrsämter: Machen Sie sich hier mit den Angeboten in ihrer Region vertraut. Airbnb muss ihnen keinesfalls vom Produkt überlegen sein. Es könnte aber sein, dass der Anbieter es von seiner Marketing-Power her ist.

Mit seinen Entdeckungen drängt Airbnb jetzt auch in ländliche Regionen. Das einstige Homesharing-Portal wird langsam auch in Deutschland zum Vollsortimenter.

Fazit: Google hat ohnehin den klaren Anspruch, sämtliche Reisearten in seiner Suche optimal zu vereinen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis in Google Travel (und vermutlich auch in der Universal-Suche von Google) auch Ferienwohnungen, Campingplätze, Ausflüge und womöglich noch viel mehr Reisearten ordentlich gelistet und personalisiert ausgespielt werden. Dass auch große OTA, allen voran Booking.com und Airbnb, langsam aber sicher zum touristischen Vollsortimenter werden, darf für etablierte touristische Anbieter vom Leistungsträger über den Reiseveranstalter bis hin zum Fremdenverkehrsamt als Herausforderung angenommen werden. Beim Zugang um die Masse der Kunden haben sich diese Portale bereits einen erheblichen Vorsprung erarbeitet. Jetzt geht es darum, das beste Angebot zu haben.