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Vier gute Gründe, weshalb das Reisegeschäft rasch zurückkommen kann

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Weshalb die deutsche Tourismuswirtschaft im globalen Vergleich blendend dasteht. Wer die Treiber für neues Wachstum sein können. Und wie sich die Kräfteverhältnisse im deutschen Reisemarkt gerade ändern. Aktuelle Fakten bringen Licht und realistische Hoffnung in den Lockdown light.

Komprimiert
Ein Impfstoff gegen Covid-19 rückt näher. Gute transatlantische Beziehungen ebenso. Beides taugt kurzfristig nicht zum kurzfristigen Aufschwung im deutschen Tourismus. Aber eine ganze Riege innovations- und kapitalstarker Travel-Innovatoren, ein im weltweiten Vergleich absolut führendes Marktumfeld, die gigantisch beschleunigte digitale Transformation und die gefestigte Erkenntnis, dass die Finanzmärkte wieder an den Tourismus glauben. Vier Dinge, die optistisch stimmen.

1. Die Erholung hat schon begonnen

Lockdown Light, Novemberhilfe, steigende Infektionszahlen – Sie merken nichts von Aufschwung? Die Börse schon. Tourismus-Aktien wie Lufthansa, TUI oder Booking Holdings haben in dieser Woche kurzfristige Luftsprünge hingelegt, nu rweil ein Impfstoff auch in Europe greifbarer wird. Es sind noch unsichere Prognosen. Was erst wird passieren, wenn die epidemologische Sicherheit wächst?
Fakt ist: die kuriose Rechnung (aufgemacht ausgerechnet vom Lufthansa Innovation Hub), dass der Video-Konferenz-Anbieter Zoom mehr wert ist, als die größten 15 Airlines weltweit, ist Geschichte. Die Zoom-Aktien sind gefallen – ausgehend von einem traumhaften Niveau freilich.

Einige Travel-Aktien haben den Covid-19-Einbruch schon fast ausgebügelt. Ganz vorn ist Trip.com Holding aus China (ehemals Ctrip), bislang das zweitgrößte OTA der Welt, nun möglicherweise auf dem Sprung zum globalen Marktführer. Dank fundamental gewachsener Inlandsnachfrage (wenn man den Riesenmarkt China denn als Inland begreifen mag) lag die Trip.com-Notierung zuletzt über Vorjahresniveau.

finviz dynamic chart for TCOM

Die Trip.com Holding im Jahresverlauf, aktuell (am 11. November 2020) auf Vorjahresniveau. Quelle: Finviz.com

Das weckt Hoffnung auch für die zentraleuropäischen Märkte: Inlandsreisen waren in diesem Sommer schon ein Heilsbringer für die ansonsten katastrophale Lage der Tourismuswirtschaft. Die Profiteure davon sind in Deutschland sind nicht börsennotiert, aber es gibt sie vielerorts. Und sobald die Sicherheit wächst, eben nicht nur im Inlandsverkehr.

2. International steht Deutschland blendend da

Noch sind wir im „Lockdown light“. Aber vieles läuft aus globaler Perspektive besser als im Ausland, touristisch und epidemologisch. Laut einer aktuellen Mc-Kinsey-Studie hat der deutsche Reisemarkt sogar die weltweit besten Erholungspotentiale, gefolgt von Indien und China. Schon 2023 solle die Erholung abgeschlossen sein. Mit 30 bis 45 Prozent Umsatzeinbruch (eine nach meinem Empfinden recht optimistische Schätzung) soll die deutsche Tourismus-Wirtschaft laut Mc Kinsey aus dem Jahr 2020 gehen

Aus der globalen Brille betrachtet macht Mc Kinsey vier Faktoren für eine schnelle Erholung der touristischen Märkte aus:

  1. Die Attraktivität inländischer Destinationen (in Deutschland groß)
  2. Alternative Verkehrsträger zum Flugzeug (absolut gegeben in Zentraleuropa)
  3. Gesundheit- und Hygienestandards (auch hier sind wir vorn dabei)
  4. Die Relevanz des Geschäftsreisemarktes, für den schlechtere Erholungswerte prognostiziert werden (was leider auch in Deutschland gelten dürfte)

Zwei Faktoren möchte ich hinzufügen:

3. Es gibt jede Menge starker innovativer Internet-Heros

Die Situation ist brutal hart, nicht alles ist gerecht. Die traurige Botschaft ist tausendfach verbreitet, leider nicht nur in der Politik sondern auch beim Kunden, dem die Überdosis an Wehklagen die Lust auf das Reisen zu mindern droht.

ABER: Die Macher gewinnen langsam Oberhand in der öffentlichen Debatte. Und längst nicht jedes Unternehmen steht am finanziellen Abgrund. Was mich besonders freut ist die Riege junger Travel-Unicorns, jener (einstigen) Start-Up, die an den Finanzmärkten ein sattes Polster bekommen haben. Man muss sie dafür nicht zwingend lieben. Aber Neid ist fehl am Platz. Es ist verdammt gut, dass es in diese Unternehmen in Deutschland gibt. Und es ist bemerkenswert, dass Ihre Bekanntheit im Ausland manchmal größer ist als hierzulande. Nur drei Beispiele:

Hometogo: Die weltweit führende Suchmachine für Ferienunterkünfte

Hometogo hat es geschafft, tausende von Datenquellen vergleichbar zu machen und Transparenz in einen Boommarkt zu bringen. Und das im globalen Maßstab. Dafür gab es bislang 150 Mio USD Funding unter anderem von Lakestar und Insight Venture Partners.

Tourlane: Eine neue Art des Reiseveranstalters

Mit Sicherungsschein aber ohne Kontigente kommt Tourlane daher. Die Kombination aus perfekter Datenaggregation und einem kompetenten Service-Center ist absolut stimmig. Dass die menschliche Kompetenz vom Markt teuer aufgekauft wurde, darf die Mitbewerber ärgern, ist aber auch ein grandioses Zeichen, dass Reiseberatung ein Geschäftsfeld mit Zukunft ist. Und in der Tat: Neid-erweckende 72 Mio USD Funding machen das erst möglich. Tourlane hat die Investoren überzeugt.

Omio: Eine echte Google-Travel-Alternative

Für die weltweite Expansion war der alte Markenname GoEuro zu klein. Und tatsächlich ist Omio in der intermodalen Verkehrsplanung eine der ganz wenigen Alternativen zu Google Travel. Die Finanzmärkte honorieren das mit rund 500 Mio EUR Kapital. Die jüngsten 100 Mio USD sammelte Omio erst im August in aller Welt ein. Das macht die Brust breit genug, um sich in einer EU-Kartellbeschwerde mit Google anzulegen, Hand in Hand übrigens mit Tourlane sowie mit…

…Getyourguide (Touren), Trivago (Hotelsuche) Flixbus (Fernbusse), jenen drei Travel Unicorns aus Deutschland, die in ihren Segmenten zu den globalen Marktführern gehören. Nicht allein die Attacke gegen Google dürfte dazu führen, dass diese Unternehmen auch in Deutschland stärker wahrgenommen werden. Das Kräfteverhältnis im deutschen Reisemarkt ändert sich.

4. Der Online-Offline-Graben schließt sich

Die Neiddebatte zwischen Online und Offline im Tourismus war nie zielführend. Covid-19 sollte sie nachhaltig erstickt haben. Reiseanbieter, die für Ihre Kunden einen Vorteil in der Vermeidung der Adaption neuer Technologien sehen, haben nun eine steile Lernkurve. So richtig offline ist im Jahr 2020 niemand mehr (und war es übrigens auch vorher nicht). Doch jetzt werden die digitalen Chancen konsequent genutzt. Es ist schön zu sehen, wie Reisebüros auf einmal ihre digitalen Präsenzen pflegen und den Kundenkontakt (auch der Not gehorchend) auf digitale Kanäle verlagern.

Der Kunde hat es ohnehin schon getan. Covid-19 hat viel Elend gebracht, gerade in Deutschland hat es die digitale Reife aber voran gebracht hat. Das Smartphone ist als probates Mittel in allen Phasen der Customer Journey anerkannt, die Personalisierung der digitalen Inhalte der Schlüssel zum Erfolg. Erfeulich dabei (siehe Tourlane): Kompetente Touristiker werden nach wie vor gebraucht. Technik und Mensch gewinnbringend zu vernetzen war und bleibt das Erfolgsrezept.