2018 wird ein ganz besonderes Jahr für Deutschlands Urlaubsmacher. Der Pauschalreise, dem Top-Seller im deutschsprachigen Tourismusmarkt, droht neue Konkurrenz. Schuld daran sind weniger die nun final kommende Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie sondern neue Angebote der Übernachtungsportale, allen voran Airbnb und Booking.com. Sind maßgeschneiderte Experiences die Alternative zur Pauschalreise?
Komprimiert
Organisierte Reisen bleiben auch im Jahr 2018 im Trend. Doch das Wachstum liegt klar in der Individualreise und in der weiten Grauzone zwischen Pauchal- und Individualreise. Diese beiden Märkte bekommen durch neue Technologien und gesetzliche Rahmenbedingungen immer mehr Berührungspunkte, auch aber nicht nur in Form der verbundenen Reiseleistungen gemäß EU-Pauschalreiserichtlinie.
Zuallererst meinen aufrichtigen Glückwunsch allen etablierten Reiseveranstaltern und Reisebüros im Land: 2017 haben Sie ihr Geschäft wieder einmal ausbauen können, trotz des Einbruchs des einstigen Top-Ziels Türkei. Um rund zwei Prozent ist der Markt für organisierte Reisen im vergangenen Jahr gestiegen, heißt es in einer ersten Prognose der GfK im Auftrag des DRV. Keine Sensation dabei: Vor allem Online-Reisebüros haben laut DRV das Wachstum beflügelt.
Bislang wissen nur Insider, ob der stationäre Reisemarkt überhaupt noch ein Wachstum erzielt hat. Die endgültige DRV-Statistik folgt noch. Meine Prognose: Eher nicht. Und falls doch, so ist es vermutliche eine Frage der Methodik. Denn eine saubere Abgrenzung der Vertriebswege ist ohnehin schwierig und stets eine Definitionssache.
Klar ist ohnehin: der Markt der organisierten Reisen stößt an Grenzen. Und nur um diese geht es in der Untersuchung von DRV und GfK. „Direktbuchungen bei Leistungsträgern und auf Produktportalen wie Booking.com und Airbnb“ bleiben außen vor, heißt es transparent und korrekt. Das Dilemma dabei: Genau in diesen Märkten spielt die Musik:
Direktbuchungen: Google als Katalysator für neue Urlaubsformen
Hotelgesellschaften, allen voran aber Airlines bauen ihr Direktgeschäft aus. Metasearcher bevorzugen die Anbindung an die Produzenten, weil dies Preisvorteile und Uniqueness verspricht. Neue Standards wie die New Distribution Capabilities (NDC) der Iata beflügeln diesen Trend. Und Google tut es ohnehin. Das gerade redesignte Google Flights präferiert ganz offiziell den Direct Connect zum Leistungsträger statt zum Online-Reisebüro.
Und Google Packages, das im Roll-Out befindliche Pauachalreise-Tool, tut es ihm nach. Hier werden sowohl Urlaubspakete von Reiseveranstaltern als auch individuell gebündelte Reisepakete von mehreren Anbietern präsentiert, die parallel bei mehreren Anbietern gebucht werden. Mit dabei auch jene Veranstalter, die in klassischen Veranstalter-Vertriebssystemen nicht voll integriert sind, die Veranstalter von Lufthansa und Ryanair etwa.
Im Sinne der neuen Pauschalreiserichtlinie sind die neuen Individual-Pakete von Google Packages (siehe rechts) nicht zwingend eine verbundene Reiseleistung. Denn solange keine Kundengelder in Empfang genommen werden, bedarf es auch keines Insolvenzschutzes. Und falls Google doch irgendwann selbst Rechnungen schreiben sollte (was nicht in Sicht ist), dann wäre es für den IT-Giganten ein Leichtes, den dann obligatorischen Sicherungssschein für den Insolvenzschutz auch selbst auszustellen.
Viel wichtiger jedoch: Via Google Packages erfahren die Reisenden künftig bei jeder Buchungsanfrage selbst, ob es zur vis dahin vielleicht präferierten Pauschalreise eine kostengünstige Alternative als Individualreise gibt. Mein Tipp: Diesen Service sollte ein Reisebüro bitte künftig ebenfalls bieten.
Booking.com: Ende des Fuchs-und-Igel-Spiels
Eine spannende Rolle spielt in Zukunft Booking.com. Über Dekaden verbreitete Priceline-Vetaran Glenn Fogel das Crédo, Booking.com sei ein lupenreines Hotelportal. Er malte mit viel Verve sein ganz persönliches Bild von Fuchs und Igel. „Der Fuchs meint alles zu wissen, der Igel weiß nur eines. Wir wissen alles über Hotels. Wir wissen alles über Hotels. Und das wird sich nicht ändern in der vorausschaubaren Zukunft“, sagte Fogel immer wieder auf Kongressen.
Etwa sieben Jahre ist das her. 2018 war damals für Fogel offenbar nicht vorausschaubar. Heute ist Fogel CEO von Priceline und treibt den Umbau der wichtigsten Tochter zum Vollsortimenter voran. Schon im Frühjahr kamen ergänzende Priceline-Angebote wie Flüge (von Kayak) und Autos (von Rentalcars) auf die Startseite. Seit Kurzem gibt es im Testbetrieb sogar Bausteinreisen (von Lastminute.com), Bahntickets (von GoEuro) und Kreuzfahrten (von Costa).
Nur eines gibt es noch nicht flächendeckend: Ausflüge und Aktivitäten. Doch auch daran arbeitet das einstige Hotelportal mit Nachdruck. Booking Experiences ist seit Sommer 2016 im Beta-Test in mehreren Städten, ganz offiziell per Pressemeldung sogar. Wenn es einmal kommt, dann ist Booking.com da, wo es niemand erwartet hat. Als absoluter Vollsortimenter im Reisemarkt. Und natürlich wird Booking.com auch in der Lage sein, diese Angebote sinnvoll zu bündeln, wenn es der Kunde so will. Pauschalreiserichtlinie hin oder her.
Experiences-Angebote: Die Alternative zum Veranstalter
Es geht nicht allein um Booking.com. Auch Airbnb baut sein Aktivitäten-Sortiment aus. Auch hier gilt: Solange die im im Vorjahr geführten Ausflüge und Touren nicht flächendeckend buchbar sind (in Deutschland etwa ist das nach wie vor nur in Berlin der Fall) ist das natürlich keine große Konkurrenz für die klassische Pauschalreise. Aber alle großen Plattformen arbeiten genau daran, auch Google mit seinen freiwillig engagierten Local Guides und Expedia mit seinem Local-Expert-Programm, dessen Angebote inzwischen auch auf der deutschen Site Expedia.de buchbar sind.
Fazit: Der Markt der oganisierten Reise ist nicht nur deshalb im Umbruch, weil der Gesetzgeber eine neue Pauschalreiserichtlinie einführt. Er wandelt si h weil fast alle führenden Reiseportale erkannt haben, dass Flugtickets und Übernachtungen nicht genug sind. Es geht um maßgeschneiderte In-Destination-Experiences, um Angebote, die während der Reise gebucht werden, zunehmend via Smartphone. Und nicht mehr wie bislang vor Reiseantritt. Für klassische Reiseveranstalter und Urlaubs-Reisebüros ist das nicht zwingend existenzbedrohend, denn sie kennen diesen Markt ohnehin am Besten. Eine Herausforderung für die Etablierten ist es allemal. Die klassische Pauschalreise bekommt immer mehr Alternativen, mit und ohne Sicherungsschein für den Insolvenzschutz.