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EU-Projekte: Daten-Freiheit im Überfluss

Kennen Sie EONA-X? eIDAS? DATES und den Dataspace for Tourism? Oder so wohl klingende Namen wie das Multimodal Passenger Mobility Forum, die europaweite digitale Brieftasche EU-ID-Wallet oder den europäischen Datenraum GAIA-X? All diese Initiativen streben einen standardisierten und weitgehend offenen Austausch von Daten an und arbeiten daran, die Komplexitäten auch im Tourismus zu verringern. Das Problem: Kaum jemand kennt alle diese EU-Initiativen. Und weil es an Koordination fehlt, drohen neue Divergenzen im Datentransfer. Ein Überblick – um genau das vermeiden.

Komprimiert
Die Euro-Cloud GAIA-X und die EU-ID-Wallet mitsamt des europäschen Identifikations-Standards eIDAS kommen unweigerlich. Sie werden die Tech-Landschaft in Europa verändern und bestenfalls vereinfachen. Oder auch nicht. Aktuell arbeiten Dutzende von Konsortien und Projekten an den Datennetzwerken von Morgen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Prozesse auch in Tourismus und Mobilität. Die jeweils angestrebte Standardisierung von Schnittstellen, Regeln und Kategorien kann nur funktionieren, wenn die Projekte sich die Hand reichen.

Ein homogener Austausch von Daten ist essentiell für digitale Use Cases. Wer Reiseinformationen personalisiert ausspielen und künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen will, muss klare und akzeptierte Regeln für den Datentransfer schaffen. Die Europäische Union hat das Problem erkannt und eine Reihe gewinnbringender Tech-Initiativen initiiert. Das Problem dabei: Es sind unübersichtlich viele Projekte. So ähnlich ihre Ziele, so konträr teilweise der Ansatz und die Umsetzung.

Was tut sich alles auf EU-Ebene? Der Versuch eines Überblicks. Und die Einladung zum Austausch und zur Kooperation. Ohne das geht es nicht.

GAIA-X: Die europäische Cloud

Die Euro-Cloud GAIA-X ist das vermutlich ambitionierteste IT-Projekt in Europa überhaupt. Ziel ist der Ausbau eines europäischen Datenraums. Die neue Cloud-Architektur soll sich dabei optimal an den rechtlichen Rahmen in Europa anpassen. Aktuell machen mehr als 350 Unternehmen und Organisationen mit.


In Deutschland werden aktuell elf Projekte gefördert, unter anderem die Entwicklung von generativen Sprachmodellen. OpenGPT-X ist das prominenteste Beispiel. Denn die Technologie des deutschen Start-Ups Aleph Alpha gilt als Alternative zum Tech-Überflieger ChatGPT.

Zudem fördert die Bundesregierung die Arbeit von 13 branchenspezifischen Arbeitsgruppen, so genannten Domains, unter anderem für Mobilität und smarte Regionen. Der Aufbau einer Domain Tourismus konnte bislang trotz erstrebenswerter Ansätze nicht realisiert werden. Dafür geht es in anderen Ländern schon in die Umsetzung:

EONA-X: Eine europäische Tourismus-Cloud mit frankophilem Fundament

EONA-X beschreibt sich selbst als „der dedizierte europäische Datenraum für Mobilität, Verkehr und Tourismus! Entwickelt wird auch er im Rahmen von GAIA-X. Es geht um einen sicheren und standardisierten Datenaustausch, der jedoch nicht zwangsweise offen sein muss. Die Gründer dieses Konsortiums kommen aus der Luftfahrt (Air France-KLM) und der Automobilindustrie (Renault) und dem französischen Destinations-Management. Mit Ausnahme von Amadeus ist der Ursprung dieses ambitionierten und für weitere Partner offenen Konsortiums klar in Frankreich. Mitmachen ist klar empfohlen.

eIDAS: Eine digitale Identität für alle EU-Bürger

Die digitale Identität eIDAS in der Version 2.0 könnte ebenfalls eine Komponente von GAIA-X sein, wird aber davon losgelöst entwickelt. Und das mit aller Macht: Laut EU-Beschluss sind bis 2030 alle Mitgliedstaaten verpflichtet, dieses Projekt umzusetzen. Der „Electronic Identification, Authentification and Trust Service“ ist Teil künftiger maschinenlesbarer Personalausweise.

Gleichsam ist eIDAS die rechtliche Basis nicht nur für Einreisekontrollen und für das Meldewesen, sondern auch für das den Check-In etwa in Hotellerie und Flugverkehr. Und die digitale Identität ist so angelegt, dass sie die Basis sein kann für Personalisierungen von touristischen Angeboten, auch als Alternative der digitalen Identitäten der großen Tech-Konzerne Google, Apple und Meta, nämlich die EU ID-Wallet

Die EU ID-Wallet: Der digitale Reisepass (und Reiseplaner)

Die EU-ID-Wallet ist eng verzahnt mit eIDAS. Und sie wird massive Auswirkungen auf den Tourismus haben. Auch sie wird bis 2030 für alle verfügbar für alle EU-Bürger sein. Anders als bei früheren Initiativen etwa zum digitalen Meldewesen ist die neue Euro-Wallet auch für private Unternehmen offen.

Wer von Beginn an dabei sein will, tritt am Besten dem pan-europäischen ID-Wallet-Konsortium bei (Condor und die Penta-Hotels sind zwei deutsche Partner) oder beteiligt sich am frisch gestarteten Konsultationsprozess für die deutsche Version der EU-Brieftasche. Noch in diesem Jahr soll das Konzept stehen. Auch ein erster Travel-Use-Case des europäischen Wallet-Konsortiums könnte bis dahin sichtbar sein.

Das Multimodal Passenger Mobility Forum: Ein intermodaler Reisemarktplatz

Das Multimodal Passenger Mobility Forum (MPMF) der Europäischen Union ist einen Schritt weiter. Die Konsultationen sind seit einem Jahr abgeschlossen. Kürzlich wurde ein erster Experten-Report für die pan-europäische Verkehrsdatenbank veröffentlicht. Ein Entwurf des Datenbank-Konzepts soll Insidern zu Folge in Kürze folgen.

Was trocken und komplex klingt, könnte ein fundamentaler Game Changer für den Reisevertrieb werden. Möglichst alle Verkehrsträger sollen in dieser Plattform nicht nur ihre Angebote hinterlegen sondern auch buchbar sein. Das MPMF greift damit tief in den Wirkungsbereich von Reservierungssystemen und Online-Reisebüros ein, die freilich auch von diesem Angebot profitieren können. Es geht schlichtweg darum, buchbare Angebote offen und transparent zu teilen. Und zwar bevorzugt über staatliche Datenbanken, die es in Deutschland tatsächlich schon gibt.

Noch ist die vom Bundesverkehrsministerium gelaunchte „Mobilithek“ ein eher schwach gefülltes Datensilo. Doch der Anspruch ist, dass hier alles zusammen läuft, was relevant ist für die Reiseplanung, vom Fahrplan, über den Wettbericht bis hin zu allgemeinen Informationen zur Wegeplanung. Ein potentieller Link zum Open-Data-Projekt im Deutschland-Tourismus liegt auf der Hand.

Die neue Mobilithek des Bundesverkehrministeriums: Alle Verkehrsdaten vereint.

Dates und der Datespace for Tourism: (Nur) zwei EU-Projekte von vielen

Etwas kleiner im Umfang aber nicht weniger relevant für den digitalen Tourismus sind zahlreiche Digital-Projekte, die nicht immer so eng verknüpft sind mit den großen EU-Intiativen wie im Falle von EONA-X (zu GAIA-X) und der EU-ID-Wallet (zu eIDAS). Dazu gehören die von der EU im Rahmen der 1,8 Milliarden Euro schweren Green-Deal-Initiative initiierte Initiativen wie Dates (European Dataspace for Tourism) und der fast gleichnamige Dataspace for Tourism. Auch hier geht es um Harmonisierung und reibungsfreien Datenaustausch.

Diese Initiativen sind aller Ehren wert. Sie vereinen wichtige Player aus zumeist diversen Branchensegmenten. Häufig leisten sie einen wichtigen und unvermeidlichen Beitrag zum Klimaschutz. Travel.Commerce. steht mit mehreren diesen Initiativen im Austausch, beteiligt sich an Austauschrunden und Untersuchungen. Allerdings:

Bitte Mitmachen. Und den Überblick bewahren.

Es erfordert viel Zeit und Ressourcen, die Arbeit all dieser Initiativen sinnvoll zu unterstützen. Mehr noch: Es gibt nur wenige Insider, die die Arbeit all dieser Konsortien kennen. Eine Koordination dieser Arbeiten, zumindest aber ein angemessener Austausch untereinander ist essentiell, wenn wir die Datenstrukturen in Europe tatsächlich harmonisieren wollen. Gelingt das nicht, entsteht eine Vielzahl neuer Spezifikationen, die es schwer haben werden, als Standards anerkannt zu werden. Es wäre schade um die engagierte Arbeit.