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Kein Error: Es geht noch billiger

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Pixabay

Reisegutscheine im Wert von bis zu 250 Euro, technisch filigrane Abrechnungssysteme für Rückvergütungen und Rabatte und eine etwas andere Internet Booking Engine, die etwaige Abrechnungsfehler etwa im Interlining der Airlines für die Kunden systematisch nutzbar macht: der Preiskampf im Online-Reisevertrieb wird immer aufwändiger und kreativer.

 

Komprimiert

Wenige lieben sie, viele profitieren davon: Reise-Gutscheine und Schnäppchen-Blogs sind feste Bestandteile im touristischen Marketing. Die öffentliche Dezimierung der eigenen Marge generiert neue Kundenströme und ist eine Alternative zum aufwändigen Performance-Marketing. Wer noch hofft, diese Werbemittel könnten sich in Luft auflösen, könnte nun vielleicht doch Recht bekommen. Denn technisch ausgeklügelte Nachfolger stehen bereit.

Es ist auf den ersten Blick schwer verständlich, weshalb die margenschwache Touristik immer wieder mit Rabatten und Preis-Aktionen auf sich aufmerksam macht. Besonders Rückvergütungen und Reise-Gutscheine sind in der Branche hoch umstritten. Manch einer spricht ihnen die Existenzberechtigung ab. Wer ohnehin schwache Margen hat, kann doch nicht auch noch das Potenzial haben, seinen Gewinn mit dem Kunden zu teilen. Oder vielleicht doch?

In den vergangenen Jahren ist die kreative Nutzung im Umgang mit Discounts kontinuierlich gestiegen. Schnäppchen-Portale wie Urlaubspiraten und Urlaubsguru gründen ihren Erfolg in der systematischen Selektion von Günstigst-Angeboten und so genannter „Error Fares“, offenkundiger Preisfehler in den Buchungsystemen. Und ausgerechnet in der von der Preishoheit der Reiseveranstalter geprägten Pauschaltouristik haben sich Gutscheine und Cashbacks als Mittel der Kundenbindung und Kundengewinnung etabliert, eben weil viele Anbieter die nachträgliche Rückvergütung als echte Alternative zum kostenintensiven Performance Marketing via Google entdeckt haben.

Wer im preissensiblen Reisevertrieb auf einen Rückgang des knallharten Preiskampfes spekuliert, darf hier aufhören zu lesen. Für alle anderen drei neue Trends der touristischen Rabattitis.

 

1. Fuel Dumping: Error Fares mit System

Ein Fehler im System oder eben nicht? Wer über den Preisvergleich von Momondo.co.uk nach einem Flug sucht, kann aktuell auf Lastminute.de für günstige 85 Euro einen Return-Flug von München nach Teneriffa buchen:

Angebliche „Error Fare“ auf Momondo.co.uk vom 14. Februar 2017

Es ist eines jener Schnäppchen, dessen Ursprung auf den ersten Blick unklar bleibt. Die Gründe für derartige Günstig-Angebote können vielfältig sein und sprengen den Rahmen dieses Posts. Im Marketing gibt es dafür einen klar penetrierten Begriff: „Error Fares“, jene angeblich fehlerhaften Angebote, die der besondere Reiz von Schnäppchen-Newslettern sind. Error Fares sind ohne Frage der Treibstoff für das rasante Wachstum von Urlaubspiraten und Urlaubsguru. Doch die globale Konkurrenz dieser Portale ist groß.

Dieses Angebot hier etwa kommt vom italienischen Anbieter Cheapflighslab, der sich mit einer Vielzahl von Portalen einen handfesten und sehr globalen Wettbewerb beim Aufdecken der neuesten Fehlermeldungen liefert. Die Zeiten, in denen Nerds in ihren Studentenbuden nächtlich manuell die großen Reise-Portale durchforsten sind vorbei. Professionelle Preismonitoring-Tools erleichtern die Arbeit. Und unter dem Nimbus des exklusiv recherchierten Fehleralerts verkauft sich möglicherweise auch die ein oder andere kommerziell vereinbarte Marketing-Promotion besser als gewohnt.

Nun aber zur eigentlichen Innovation: dem Fuel Dumping. Gemeint ist hier nicht das Ablassen von Kerosin während des Fluges, sondern das Einsparen von Treibstoffzuschlägen durch die intelligente Kombination von Flugsegmenten. Kurz zusammengefasst: Eben weil viele Airlines ihre Treibstoffzuschläge etwa im Interlining nicht korrekt verrechnen können, können Fluggäste diese Aufschläge in Einzelfällen (und auch nur dann!) durch das gezielte Hinzufügen eines weiteren Flugsegments teilweise auf null reduzieren.

All das fällt unter die Feinheiten des kreativen Ticketings, war bislang nur Insidern bekannt und ist nicht eben die Basis für gute Beziehungen zwischen Airline und Mittlern. Das Internet-Portal Secret Flying hat nun aber systematisches Fuel Dumping zum Kern seines Geschäfts gemacht. Mittels einer eigenen Suchmaschine werden zusätzliche Flugverbindungen gesucht, die bei gemeinsamer Buchung zu einer Streichung des Treibstoffzuschlages auf dem Hauptflug führen können. Mehrere hundert Euro Einsparungen sind im Einzelfall möglich. All das erfordert jede Menge Arbeit und Mut zum Risiko, wie den sicher sehr ernsthaften Warnhinweisen von Secret Flying vor Öffnen des Fuel-Dumping-Tools zu entnehmen ist:

„Nur für Lernzwecke einsetzbar“: Fueldumping-Suchmaschine des Schnäppchen-Portals Secretflying.com

Fuel Dumping ist trotz der hier gebotenen Komfortsuche furchtbar kompliziert und mag eine rechtlich noch zu definierende Grauzone sein. Dass ein Portal in dieser Nische dennoch in eine nicht ganz triviale Technologie investiert, lässt aufhorchen.

2. Cashback statt Reise-Gutschein

Klappt es doch noch mit dem von manchem herbeigesehnten Ende des Reise-Gutscheins? Das Ende der Rückvergütung werden wir sicher nicht erleben. Zu attraktiv und mutmaßlich auch rentabel ist der gezielte Discount als Alternative zum digitalen Performance Marketing. Eine Reihe von Shopping-Portalen machen sich nun mit wachsendem Erfolg daran, im Markt verfügbare Discounts zu bündeln und dem Kunden bar auszuzahlen. Dieses Cashback-System ist denkbar einfach und erinnert an Loyalty-Programme wie Payback: Kunden klicken auf die von dem Schnäppchen-Portal angezeigten Angebote. Das Portal erhält hierauf in aller Regel eine Affiliate-Vergütung oder gar eine Provision und gibt diese ganz oder teilweise an den Kunden weiter.

Portale wie iGraal oder Shoop haben in jüngster Zeit merklich in ihre Usability investiert und überraschen mit einem breiten Partnerportfolio insbesondere in der Touristik. Im Veranstalter-Geschäft liegt die Höhe der in Aussicht gestellten Rückvergütung in aller Regel zwischen 2,0 und 3,5 Prozent des Reisepreises. Eine gute Übersicht liefert das auf die Touristik spezialisierte Portal Cashback-Reisen.

Igraal & Co positionieren sich durch die Bündelung des Angebots und die zentrale Abrechnung. Wer bei Pauschalreisen maximal sparen will, der wird wohl auch in diesem Sommer zum Gutschein greifen. Denn:

3. Der 100-Euro-Gutschein ist nicht das Limit

Seit 2015 kursieren im Markt diverse 100-Euro-Gutscheine für Pauschalreisen. In der Touristik bestand schon mal Konsens, dass hier ein kaufmännisch sinnvolles Limit erreicht sein mag. Diese Benchmark hat sich seitdem jedoch stillschweigend verdoppelt. Nach dem 150-Euro-Gutschein im Vorjahr werden via Ebay-Kleinanzeigen nunmehr auch 200-Euro-Gutscheine privat weiterverkauft.

Das aktuelle Angebot stammt von Check24.de. Die Konditionen erklärt das Portal auf seiner eigens eingerichteten Info-Seite:

250 Euro Guthaben bei Check24: Die Spielregeln sichern die Profitabilität

Wer jetzt den Dislike-Button sucht, sollte ein paar Fakten beachten:

  • 200 Euro Rückvergütung (plus weitere Discounts für Einzelleistungen) gibt es erst ab 2000 Euro Reisewert. Maximal winken also zehn Prozent Nachlass, bei in aller Regel dann höheren Reisepreisen deutlich weniger.
  • Die Gutschein ist nicht frei und beliebig verfügbar, sondern wurde Kunden fein selektiert mit der Post zugestellt.
  • Die Gutschein-Karte wird von vielen Empfängern als echter Wert wahrgenommen. Auch wenn sie via Ebay weiterverkauft wird, trägt sie damit zum Markenaufbau und zur langfristigen Kundenbindung bei.

Übrigens: Ich persönlich habe meine eigene Check24-Guthabenkarte der ordnungsgemäßen Mülltrennung zugefügt, nutze keine Cashbacks und empfehle für die preisbewusste Buchung komplexer Linienflüge nicht die Mühen des Fueldumpings sondern Spezialisten, die es in großartiger Vielfalt und Qualität sowohl online als auch offline gibt. Ich empfehle auch, sich gern kritisch aber eben auch konstruktiv und umfassend mit diesen wichtigen Themen auseinanderzusetzen. Error Fares sind nicht immer ein Fehler. Und die Rückvergütung war schon in den vergangenen 20 Jahren nicht zu stoppen. Wer dennoch einen Hebel sieht, darf gern kommentieren.