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Die große Content-Schlacht

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Journalistische Kompetenz statt SEO Optimierung. Immer mehr Reiseportale justieren ihre Anforderungen an Unique Content zugunsten redaktioneller Inhalte, während klassische Zeitungsverlage auf puren Reisevertrieb setzen. Am Ende könnten ganz andere gewinnen.

Komprimiert

Die Content-Offensiven von Kayak, Holidaycheck und TUI scheinen wohl durchdacht. Die touristischen Projekte der Verlage müssen diesen Beweis erst liefern. Das Gesamtpaket aus Nachricht, User Experience und Produkt muss stimmig sein. Sehr gern auch einzigartig.

Ist es nur die terminliche Nähe zur ITB in Berlin oder tatsächlich ein neuer Trend? So viele touristische Content-Plattformen wie in den vergangenen Wochen haben im deutschsprachigen Internet schon lange nicht mehr Premiere gefeiert. Im jungen Jahr 2017 geht es nicht  primär um neue Technologien, Apps und Anwendungen, es geht um Inhalte.

TUI, mit seinen Marken ohnehin schon ein guter Auftraggeber für Blogger und Reisejournalisten, bündelt die journalistische Kompetenz seiner Marken jetzt auf Travel.me. Kayak rollt mit einem deutschsprachigen Digital-Magazin an den Start und wirbt mit der Nutzwerk-Rubrik Travel Hacks auch um das ohnehin stark umworbene Segment der Schnäppchenjäger. Die Burda-Tochter Holidaycheck arbeitet mit seinem Reisemagazin Away mit Journaisten, die gemeinhin bei Verlagen auf der Payroll stehen.

Und was machen die Verlage? Sie entdecken den Reisevertrieb. Wieder einmal. Im Januar startete Bild-Reisen, im Gegensatz zu dem  2013 gelaunchten Reisemagazin Travelbook ein ganz auf den Abverkauf geeichtes Reiseportal. Einen ähnlichen Weg geht nun auch Gruner & Jahr, das für seine Magazinw so genannte Reisewelten aufgesetzt hat. Die Verlage bringen die Leser, touristische Partner (Eurotours bei Bild, Rewe-Reisen und Aovo bei Gruner und Jahr) den Content.

Kurzum: Etablierte Touristik-Marken machen auf Journalismus, Großverlage auf Reisevertrieb. Kann das gut gehen? Ersteres kann mit Sicherheit, Letzteres mit Fragezeichen. Die angeblich exklusiv zusammengestellten Reiseangebote, für Stern, Eltern, Geo & Co sind gewiss passend für die jeweilige Leserschaft selektiert. Aber „exklusiv zusammengestellt“, wie Gruner & Jahr es nennt, heißt eben nicht exklusiv produziert sondern ist häufig Ware von der Stange mit ebensolchen Preisen.

„Exklusiv zusammengestellt“: Angebote aus der neuen Stern-Reisewelt

Von einem „weiteren Meilenstein im Rahmen des Ausbaus neuer Geschäftsfelder“ spricht der Verlag. Nur zur Erinnerung: Gruner & Jahr gehört tatsächlich zu den Pionieren im digitalen Reisevertrieb, war zur Milleniumswende mit seinem Travelchannel ganz vorn im noch jungen E-Commerce, bevor die Marke schrittweise an Otto Freizeit und Touristik und weitere weitergereicht wurde.

Und Springer? Hat seinen redaktionellen Reise-Content aufwändig auf Travelbook gebündelt, ist unter anderem mit Belvilla und Idealo und einer kleinen Beteiligung an Airbnb selbst im touristischen Vertrieb tätig. Weder Bild-Reisen noch Travelbook bilden das ab. Es geht schlichtweg darum, aus dem zumeist schwindenden Lesermarkt Urlauber zu machen. Diese Strategie ist – freundlich gesagt – unspektakulär.

Die beiden Großverlage sind längst nicht die einzigen, die in Travel investieren. Burda machte aus seinem digitalen Zugpferd Tomorrow Focus die Holidaycheck Group, die Verlagsgesellschaft Madsack eröffnete jüngst mit Reisereporter das nächste Content-Portal, in diesem Fall ganz ohne Buchungsfunktion (wieso eigentlich?). Holtzbrinck Ventures ist unter anderem an Dreamlines und Flixbus beteiligt. Und die ehrwürdige Nordwest-Zeitung in Oldenburg investierte jüngst in das Mietwagen-Start-Up Happycar.

Es wird spannend zu sehen sein, wie die Medienprofis von den Internet-Usern künftig als Anlaufstelle für Reisethemen angenommen werden. Dass touristische Player sich reichweitenstarkes journalistische Handwerk schnell aneignen können, darf als sicher gelten. Dass Verlage ohne touristische Produktkompetenz die neuen Überflieger im Reisevertrieb werden, erscheint dabvergleichsweise unwahrscheinlich.

Bild-Leser werden auch künftig im World Wide Web recht offen nach dem vermeintlich besten Angebot suchen. Dabei stoßen sie dann unter anderem auf Google und Booking.com. Diese beiden Giganten investieren derzeit nicht in Journalismus, wohl aber in Content. Dafür animieren sie ihre User und Kunden in gesteigerter Massivität, unique content zu produzieren.

Google pusht sein  Local-Guides-Programm mit einer Aktionswoche, um mehr Content für Maps & Co zu bekommen. Und Booking.com bittet seine neue Kunden neuerdings auch um Bewertungen und Reisetipps für die bereiste Stadt. Wetten, dass die Resultate dieser Bemühungen bald sehr nüchtern in Pagerankings und Userstatistiken lesbar sind?

„Bewerten Sie Ihre vergangenen Reisen“: Das Rating der Sehenswürdigkeiten ist für Booking.com-Kunden der Einstieg in umfangreiche Reviews.

Reiseblogger und Journalisten dürfen sich kurzfristig über eine steigende Zahl von Plattformen und Auftraggeber freuen. Blogger Relations wird damit zum essentiellen Teil des Marketings. Gut so! Doch die nächste Konsolidierungswelle kommt bestimmt. Gewinnen wird der, der das beste Angebot hat. Der Journalist in mir würde sich freuen, wenn das redaktionelle Angebot dabei ein signifikanter Teil dieses Erfolgs ist. Der Kaufmann rät dazu, in gleichem Maße in einzigartige Produkte, Technologie und User Experience zu investieren. Wenn das Gesamtpaket stimmig ist, kommt auch der Erfolg.